Nachtrag

Ich bin (auf nicht unangenehme) Weise überrascht, welche Wellen mein Artikel zur Leipziger Buchmesse geschlagen hat. Ich glaube, noch nie wurde ein Beitrag von mir derart übers Netz verbreitet. Die Motivationen waren dabei ganz unterschiedlich: einerseits Autoren, die direkt unter der Umstellung des diesjährigen Leseprogramms zu leiden hatten (sprich, kurzfristig mit einer Absage seitens der Messe konfrontiert wurden), Besucher, die in den Hallen und Tunneln kurz vorm Umfallen standen, oder einfach Fantasyfreunde, die das Gefühl haben, dass die Vorurteile ihrer Eltern und Lehrer von einst gegen "diese Art von Büchern" immer noch fortwirken (eine schöne Reaktion von Michael Sonntag gibt es z.B. hier). In jedem Fall entstand der Eindruck, dass eine Menge Leute ziemlich angefressen waren. Hier kann man der Messe im Internet (und hier auch auf Facebook) nun Feedback geben. Ob's was nutzt? Keine Ahnung. Versuchen kann man's.

Zwei Dinge möchte ich in diesem Kontext noch einmal präzisieren: Zum einen war meine Sorge, die Messe könne jegliche Art von Kinder- und Jugendbuch mit jeglicher Art von fantastischer Literatur gleichsetzen, überspitzt. Ein Blick ins diesjährige Leseprogramm zeigt, dass sämtliche vorgestellten Bücher zumindest einen rudimentär fantastischen Bezug hatten. Dennoch sendet diese unkritische Art von Gleichsetzung das falsche Signal. Insgesamt ist nichts dagegen einzuwenden, dass sich fantastische Literatur auch an ein kindliches Publikum richtet. Wohl aber gegen den Umkehrschluss, dass es sich dabei immer auch um ein kindisches oder ungebildetes Publikum handeln müsse. Dies ist der Kern meiner Kritik.

Ein anderes wichtiges Stichwort, das in den Reaktionen auf den ersten Text fiel, war das der Gewinnmaximierung. Damit meine ich insbesondere die Frage, welche (Un)summen die Messe eigentlich für welche Arten von (echter oder vermeintlicher) "Dienstleistung" verlangt: Überzogene Standmieten, Gebühren für Signiertische, Monopol auf Bücherverkauf usw. (Siehe dazu unter anderem diesen Beitrag von Uschi Zietsch.) Und hierüber weiß ich einfach zu wenig, und naturgemäß wollen die Leute, die sich wirtschaftlich von der Messe abhängig fühlen, auch nicht gerne darüber reden. Ähnliche Erfahrungen habe ich auch schon bei anderen Großveranstaltungen gemacht. Dennoch ließe sich darüber nachdenken, ob man in Zukunft nicht wieder mehr Gewicht auf lokale Veranstaltungen oder spezialisierte Conventions wie die RPC oder die Dragon Days legen sollte, wobei sich dann natürlich wiederum die Frage stellt, wie man dem Genre so zu einer breiteren Aufmerksamkeit und Akzeptanz verhelfen will. Aktuell scheint man vor der Wahl zu stehen, ignoriert oder überfahren zu werden — und ich habe keine Antwort darauf.

Kritikwürdig bleibt in jedem Fall der Wahn, jedes Jahr einen neuen "Rekord" aufstellen zu müssen. Man kann auch einfach mal weniger Karten verkaufen, oder man muss eben erweitern. Und kritikwürdig bleibt ebenfalls, wenn man statt der Förderung und Übernahme funktionierender Modelle der Selbstorganisation (ich rede hier konkret von der Fantasy-Leseinsel) lieber alles auf der Messe gleich schlecht organisiert (und kontrolliert), insbesondere, wenn dabei offenkundig wird, wie wenig man sich in der Marktlandschaft auskennt, und wie wenig einen die vorgestellten Titel kümmern.

Solange in dieser Richtung keine neuen Signale ergehen, werde ich weiterhin versuchen, meinen Besuch auf der Messe auf ein Minimum zu beschränken, und mich stattdessen auf die deutlich schöneren Events in der Stadt selbst konzentrieren. Und wenn ich mir die tausend Kilometer Fahrt eines Tages ganz sparen kann, bin ich auch nicht traurig.