Neue Welten

Wie bereits andernorts verbreitet, habe ich mir kürzlich ein "neues" Universum erschlossen: Noch bis nächste Woche kann man Welt aus Seide in allen gut sortierten Zeitschriftenläden, an Bahnhöfen und sogar Kiosken kaufen. Und was soll ich sagen, es ist eine tolle Erfahrung ... auch wenn der Sortiergeist mancher Geschäfte zu wünschen übrig lässt.

Ich sehe das nicht nur als gerechte Rache an verschiedenen meiner Deutschlehrerinnen, die mir schon in der zehnten Klasse einen "nur bedingt gutzuheißenden Perry-Rhodan-Stil" attestierten, sondern durchaus als die Verwirklichung eines Kindheitstraums. Wie in diesem ersten Kurzinterview gesagt, bin ich mit Perry aufgewachsen, genau wie mit Captain Future oder James T. Kirk. Ich war ein großer Fan von Gucky, hatte einen ziemlichen Respekt vor ES und diskutierte mit meinen Freunden darüber, welche Mutantengaben die coolsten sind. Der MdI-Zyklus ist für mich immer noch der Inbegriff einer gelungenen Space Opera.

Mit fünfzehn Jahren kam mir dann der "Herr der Ringe" dazwischen, und meine Lesegewohnheiten änderten sich. Als ich später zur Science Fiction zurückkehrte, waren es, auch dank meines Studiums, vor allem englischsprachige Autoren, die mich begeisterten: Arthur C. Clarke, Philip K. Dick, James Tiptree, Jr. oder William Gibson. Natürlich war zu diesem Zeitpunkt der Zug für Perry lange abgefahren: Ich hatte schlicht keine Ahnung, in was vor Zukünften er sich gerade herumtrieb, ich kannte niemanden mehr, der es mir sagen konnte, und selbst als es dann Hilfsmittel wie die Perrypedia gab, fühlte ich mich von dieser Aufgabe schlicht überfordert. Noch heute gebe ich ungeniert zu: Ich habe keine Ahnung, was in der Erstauflage gerade passiert, und ich habe eine gewisse Ehrfurcht vor den Leuten, die es wissen.

Doch ich schreibe auch nicht für die EA, sondern für NEO. Und NEO ist ein völlig eigenes Universum -- das "NEOversum" -- mit eigenen Regeln und einer eigenen Ästhetik. Es ist keine Nacherzählung der alten Serie, sondern eher ein "Re-Imagening", ähnlich wie Ronald D. Moores BSG nur noch bedingt etwas mit Glen A. Larsons Kampfstern Galactica zu tun hat. Und das gibt mir die Möglichkeit, mit genau den Figuren, Schauplätzen und Konflikten zu arbeiten, die ich kenne, und ihnen neues Leben einzuhauchen. Überhaupt sind Fernsehserien ein guter Vergleich für das, was wir machen.

Die Arbeit läuft nach Exposé. Das heißt, ich kann ähnlich wie damals beim Kristallpalast nach einem klaren Handlungsgerüst arbeiten, und diese Arbeitsweise überzeugt mich immer mehr (soll heißen, ich werde auch bei meinen eigenen Romanen künftig noch klarer zwischen Exposé-Arbeit und Schreib-Arbeit trennen). Es ist eine fast einmalige Möglichkeit, Science Fiction für den deutschen Markt zu schreiben. Und das Team ist so freundlich und hilfsbereit, dass ich binnen kürzester Zeit meine Sorgen, ob ich mir da nicht zuviel zugemutet hatte, verlor und mich willkommen fühlte. Auch die Reaktion der Fans war bislang sehr herzlich. Und so wird es sicher nicht mein letzter Ausflug ins NEOversum gewesen sein. Schließlich bin ich jetzt ja selbst schrecklich gespannt, wie es weitergeht ...

PS Eine angenehme Begleiterscheinung der Arbeit für die Perry-Rhodan-Redaktion ist übrigens, dass die Romane nicht nur flächendeckend an den Kiosken verteilt werden, sondern auch gleich als Ebook und Audiobook produziert werden. Ein großer Teil der Leserschaft liest mittlerweile auf einem elektronischen Endgerät; und ich war sehr erfreut, festzustellen, dass zumindest einer der Vertriebspartner (vielleicht auch mehr) seine Ebooks ohne DRM verkauft. Auch das Audiobook gibt es als "normale" mp3s ... also beides ohne die insularen Zumutungen, die Amazon, Audible & Co einem als "Formate" andrehen.