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Was will die Fee?

Seit gut fünfzig Jahren meinen Literaturwissenschaftler und Buchhändler komplett verschiedene Dinge, wenn sie von "Phantastik" reden. Erstere denken zunächst an die Literatur der Verunsicherung, wie sie (mehr oder weniger brauchbar) von Caillois, Todorov und anderen beschrieben wurde, letztere sehen darin einen drollig geschriebenen Oberbegriff für Fantasy, Science-Fiction und Horror (also landläufig Elfen, Raumschiffe oder Vampire – die drei großen Embleme, die seit hundert Jahren so ziemlich jeder versteht).
Das ist wie gesagt ein altes Problem, das ich hier auch nicht auflösen kann, denn Literaturwissenschaft interessiert sich nicht für Werbeschubladen (und bedauerlicherweise nur selten für Feen) und der Buchhandel nicht für kleinkarierte Feinheiten.
Was mir beim Lesen des Lake-Hermanstadt-Artikels jedoch auffiel (und mir wie ein exzellenter, kaum offensichtlicher Vorwand erschien, mal wieder auf meine Doktorarbeit zum Thema hinzuweisen), ist das immanente Durcheinander von Kategorien in diesem Diskurs, sowie die auffällige Bedeutung, die dabei den Reaktionen des Lesers und den Intentionen des Autors zukommt – unscharfe Kriterien, um welche die Literaturwissenschaft sonst gerne einen Bogen schlägt wie unsere drei Embleme um Orks, schwarze Löcher und Knoblauch.
Dies beginnt bereits mit der Feststellung, dass von besagten drei Genres die Science-Fiction als einziges wahrhaft spekulativen Charakter besitzt (dem im englischen Sprachraum populärem Sammelbegriff der speculative fiction zum Trotz). Tatsächlich ist die SF die Einzige, die tapfer an ihre eigene Realisierbarkeit glaubt, was sich auch in John Clutes sehr eleganten Unterscheidung zwischen Fantasy und SF niederschlägt:
Though fantasy certainly existed for many centuries [...] whenever stories were told which were understood by their authors (and readers) as being impossible, it is quite something else to suggest that the perceived impossibility of these stories was their point – that they stood as a counter-statement to a dominant worldview.
Science Fiction can be distinguished from fantasy on several grounds; but in our terms the most significant difference is that Science Fiction tales are written and read on the presumption that they are possible – if perhaps not yet.1
Vielleicht wäre es daher sinnvoller (wenn man nicht meine orthographisch gewollt wirkende Unterscheidung zwischen "fantastisch" und "Phantastik" fortschreiben möchte), wie Marco Frenschkowski von "imaginativer Literatur" zu sprechen, wann immer man es mit fantastischen, spekulativen oder anderweitig feenwirksamen Elementen zu tun hat.2 Jedoch habe ich arge Zweifel, dass das Fenster für die Popularisierung neuer oder übersehener Begrifflichkeiten in dieser Debatte noch offen steht – weswegen wir alternativ auch einfach weiter von Feenliteratur sprechen können.
Noch komplizierter wird es nun, wenn man versucht, die Kategorie des (supernatural) horror mit ins Boot zu holen. In dem Artikel auf Lake Hermanstadt heißt es zurecht:
Während Fantasy und SF Genres sind, trifft das auf Horror nicht wirklich zu. Horror ist ein Begriff der Ästhetik, nicht der Poetik. Ästhetisch gesehen sind Terence Fishers Dracula, Roman Polanskis Rosemary’s Baby und William Friedkins The Exorcist Horror, genremäßig sind sie Fantasy. Ganz ähnlich ist Ridley Scotts Alien ästhetisch Horror und genremäßig SF, oder Jonathan Demmes Silence of the Lambs ästhetisch Horror, aber genremäßig ein Thriller. Fantasy, SF und Horror auf eine Ebene zu stellen, ist, als würde man Aprikosen, Erdbeeren und Obstkerne auf eine Ebene stellen.
Tatsächlich ist die eigentliche Phantastik in der Traditionslinie von Poe über Lovecraft bis zu King (je nach Tagesform) und Ligotti, die von Buchhandel und weiten Teilen der Leserschaft als "Horror" identifiziert wird, kaum zu fassen, ohne besonderes Augenmerk auf die ästhetische Inszenierung und Leserreaktion zu legen.
Diese Einsicht findet sich implizit schon bei Caillois, der im Phantastischen den berühmten "Riss, einen befremdenden, fast unerträglichen Einbruch in die wirkliche Welt" sieht, in dem
das Wunder zu einer verbotenen Aggression [wird], die bedrohlich wirkt, und die Sicherheit einer Welt zerbricht, in der man bis dahin die Gesetze für allgültig und unverrückbar gehalten hat. Es ist das Unmögliche, das unerwartet in einer Welt auftaucht, aus der das Unmögliche per definitionem verbannt worden ist.3
Ich persönlich hielt diese Forderung nach einer Weltsicht, in der "das Wunder Angst hervorrufen musste", es "unzulässig und erschreckend" geworden war, immer für arbiträr.4 (Tatsächlich war mein gerechter studentischer Zorn auf Caillois einer der Hauptgründe, weshalb ich Fairwater schrieb). Weshalb soll es so undenkbar sein, dass ein entsprechend geneigter Protagonist den Einbruch des bis dato Unmöglichen in seiner Welt willkommen heißt? Der erschreckende oder verstörende Effekt von Phantastik hat abgesehen von ihren klassischerweise unliebsamen Antagonisten (Vampire, Geister, Große Alte) zumeist auch einfach formale Gründe – nämlich dass die Erzählung im Moment des größten Schreckens abbricht, ohne eine Auflösung, insbesondere eine glückliche, zuzulassen. Nicht ohne Grund blüht das Genre in Kurzgeschichten, wie auch Lake Hermanstadt bemerkt.
Ehrlicher fand ich es daher immer, wenn man diesen Effekt des Schreckens nicht als logische Ableitung, sondern als grundlegende Absicht des Genres auffasst, auch wenn das heißt, den intendierten oder gar tatsächlichen Leser zum Kriterium der Phantastik zu machen. So bekanntermaßen H.P. Lovecraft in seinem programmatischen "Supernatural Horror in Literature":
Atmosphere is the all-important thing, for the final criterion of authenticity is not the dovetailing of a plot but the creation of a given sensation. [...] Therefore we must judge a weird tale not by the author's intent, or by the mere mechanics of the plot; but by the emotional level which it attains at its least mundane point. [...] The one test of the really weird is simply this – whether or not there be excited in the reader a profound sense of dread, and of contact with unknown spheres and powers.5
Gegen einen solchen Ansatz richtet sich dagegen Tzvetan Todorov in seinem einflußreichen Theoriewerk:
The sentiment of fear or perplexity is often invoked by theoreticians of the fantastic [...]. Caillois, too, proposes as a 'touchstone of the fantastic [...] the impression of irreducible strangeness.' It is surprising to find such judgments offered by serious critics. If we take their declarations literally – that the sentiment of fear must occur in the reader – we should have to conclude that a work's genre depends on the sang-froid of its reader. Nor does the determination of the sentiment of fear in the characters offer a better opportunity to delimit the genre. In the first place, fairy tales can be stories of fear, as in the case of Perrault [...]. Moreover, there are certain fantastic narratives from which all terror is absent [...]. Fear is often linked to the fantastic, but it is not a necessary condition of the genre.6
Stattdessen fordert er von einem phantastischen Text die gezielte Verunsicherung des Lesers ein:
The fantastic requires the fulfillment of three conditions. First, the text must oblige the reader to consider the world of the characters as a world of living persons and to hesitate between a natural and a supernatural explanation of the events described. Second, this hesitation may also be experienced by a character [...]. Third, the reader must adopt a certain attitude with regard to the text: he will reject allegorical as well as 'poetic' interpretations.7
Das "rein" Phantastische okkupiert laut Todorov die gedachte Trennlinie zwischen den Reichen des Wunderbaren und des Profanen – er benutzt also weitgehend dasselbe Modell zweier überlappender Ereignissphären oder Welten wie Caillois (die Trennlinie des einen ist der Riss des anderen), angereichert mit der Forderung nach Unentscheidbarkeit.
Und genau diese Forderung, um den Kreis zu schließen, greift Stanislaw Lem wiederum an:
Laut Caillois, sagt Todorov höhnisch, ist die Gattungszugehörigkeit eines Werkes vom Grad der Nervenstärke seiner Leser abhängig. Erschrickt der Leser, so haben wir es mit dem Unheimlich-Phantastischen zu tun; bewahrt er kaltes Blut, so gehört das Werk einer anderen Gattung an. [...] Warum eigentlich ist die Nervenstärke eines Lesers [...] kategoriell etwas anderes als die Unschlüssigkeit des Lesers, die Todorov zum Prüfstein seiner Theorie des Phantastischen macht?8
Vielleicht sollte es nicht verwundern, dass in einer von Surrealisten, Strukturalisten und Schriftstellern geführten Debatte am Ende ein Traumfänger aus Erdbeeren, Aprikosen und Obstkernen steht. Auch ich trage mit meinen widersprüchlichen Sichtweisen als Textproduzent und -rezipient sicher nicht zu einer Präzisierung der Begrifflichkeiten bei.
Aufgrund meiner doppelten Sichtweise halte ich es aber für legitim, nach der Haltung eines Texts, der Intention des Autors und der Reaktion des Lesers zu fragen (die in einer idealen Welt trotz Lovecrafts Zweifeln durchaus in Kongruenz stehen sollten): Versteht sich ein Text als Abbildung einer (theoretischen oder zukünftigen) Wirklichkeit? Möchte er (konfliktfrei) eine Gegenwelt zur allgemein akzeptierten Realität™ zeichnen? Geht es dem Autor darum, dem Leser im Moment der größten Fallhöhe den Boden unter den Füßen wegzuziehen? Oder hat er einfach nur das falsche Pfeifenkraut geraucht und möchte eigentlich eine Allegorie auf den bornierten Beamtenapparat einer südamerikanischen Provinz der Siebzigerjahre erzählen, die aus unerfindlichen Gründen von Klavier spielenden Haifischen regiert wird? (Hierzu ließen sich mehrere andere Artikel verfassen, aber nicht von mir.)
Diese Fragen, so unpräzise sie sein mögen, sind es wert, gestellt zu werden, wenn man sich eine Navigationshilfe bei der Erkundung des weiten Lands der Feenliteratur wünscht – vielleicht gerade, weil sie so grundlegende und persönliche Konzepte von Realitätswahrnehmung, Wunschdenken und vielleicht auch Religiosität berührt. Mit einem reinen Emblemkatalog wird man ebenso an seine Grenzen stoßen wie mit einem präskriptiv angehauchten Modell oder Regelwerk.
Probiert die Fee zu fangen, fragt sie, was sie von euch will – und dann lasst sie bitte wieder fliegen.
Fußnoten:
1 Clute, "Fantasy", 338.
2 Frenschkowski, "Ist Phantastik postreligiös?"
3 Caillois, "Das Bild des Phantastischen", 45f.
4 Caillois, "Das Bild des Phantastischen", 48.
5 Lovecraft, "Supernatural Horror in Literature", 368.
6 Todorov, The Fantastic, 35.
7 Todorov, The Fantastic, 33.
8 Lem, "Tzvetan Todorovs Theorie des Phantastischen", 114.
Literatur und Links:
Clute, John, "Fantasy". In ders., John Grant eds., The Encyclopedia of Fantasy. London: Orbit, 1997, 337-39.
Caillois, Roger, "Das Bild des Phantastischen: Vom Märchen bis zur Science Fiction". In Rein A. Zondergeld ed., Phaïcon 1. Frankfurt a.M.: Insel Verlag, 1974, 44-83.
Frenschkowski, Marco, "Ist Phantastik postreligiös? Religionswissenschaftliche Beiträge zu einer Theorie des Phantastischen". In Clemens Ruthner, Ursula Reber und Markus May eds., Nach Todorov. Beiträge zu einer Definition des Phantastischen in der Literatur. Tübingen: Francke 2006, 31-51.
Lem, Stanislaw, "Tzvetan Todorovs Theorie des Phantastischen". In Rein A. Zondergeld ed., Phaïcon 1. Frankfurt a.M.: Insel Verlag, 1974, 92-122.
Lovecraft, H.P., "Supernatural Horror in Literature". In ders., Dagon and other Macabre Tales. August Derleth, Donald Wandrei, S.T. Joshi eds., Sauk City: Arkham House, 1987, 365-444.
Murilegus rex, "Phantastik vs. Fantasy: Erste Runde". 2017.
https://hermanstadt.blogspot.de/2017/07/phantastik-vs-fantasy-erste-runde.html
Plaschka, Oliver. Verlorene Arkadien: Das pastorale Motiv in der englischen und amerikanischen fantastischen Literatur – H.P. Lovecraft, James Branch Cabell, Mervyn Peake, William Gibson. 2009.
http://www.ub.uni-heidelberg.de/archiv/10106
Reß, Alessandra, "Die Fee ist immer da: Genres der Phantastik". 2017.
https://fragmentansichten.com/2017/06/19/die-fee-ist-immer-da/
Todorov, Tzvetan, The Fantastic (Introduction à la litérature fantastique). London: The Press of Case Western Reserve University, 1973.
Gemälde: Oliva, Viktor. Der Absinthtrinker. 1901
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Monday, August 17. 2015
Neuromancer Reloaded
Outside of a dog ist ein exzellenter Literatur-Podcast in englischer Sprache, der seine Berufung darin sieht, ein Urteil über sogenannte "great literature" zu fällen. In der zwölften Episode durfte ich mit Jonas und Christian über eins meiner Lieblingsbücher diskutieren, mit dem ich mich schon hier und zuletzt hier befasst hatte: William Gibsons Jahrhundertwerk Neuromancer. Die Diskussion verlief angemessen kontrovers und hat großen Spaß gemacht — vielleicht wird es irgendwann also eine Fortsetzung geben. Doch bis es so weit ist, kann ich ihre anderen Folgen (Lolita, Watchmen, A Midsummer Night's Dream ...) nur wärmstens empfehlen.
Episode 12: Neuromancer
Episode 12: Neuromancer
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Wednesday, May 14. 2014
Entweder der Teufel, oder ...
Es hat nur ungefähr sechs Jahre gedauert: Seit diesem Monat ist der Doppelband "Aut Diabolus Aut Nihil" im Blitz-Verlag erschienen. Die Bände tragen den Untertitel "Bevor Lovecraft kam: US-amerikanische Phantastik der Dekadenzzeit", und das trifft es ganz gut. Die beiden Taschenbücher aus der Reihe "Meisterwerke der dunklen Phantastik" verstehen sich als Nachfolger des seinerzeit noch als Hardcover erschienen Doppelbands Als ich tot war. Damals waren es noch britische Geschichten, doch genau wie heute sind die meisten dieser Geschichten noch nie zuvor auf Deutsch erschienen – nicht, weil sie nichts taugten, sondern vor allem, weil kaum jemand sie kannte. Solche Geschichten aufzustöbern war eines der großen Talente der beiden Herausgeber, Frank Rainer Scheck und Erik Hauser.
Leider hat Frank Rainer Scheck das Erscheinen dieser letzten Anthologie nicht mehr erlebt – ich habe vor einem Jahr diesen Nachruf auf ihn verfasst, und auch Erik Hauser steuerte eine Würdigung seines Schaffens für den zweiten Band von "Aut Diabolus" bei.
Dieses Buch heute in Händen zu halten ist für mich eine Reise in die Vergangenheit. Es war eines der letzten Projekte, die ich aus reiner Begeisterung und des sprichwörtlichen "Fußes in der Tür" zuliebe mitmachte; die drei Geschichten von Vernon Lee, die ich für den Vorgängerband übersetzte, waren meine ersten veröffentlichten Übersetzungen überhaupt gewesen. Mich nun James Branch Cabells annehmen zu dürfen, den ich erst wenige Jahre zuvor dank einer Empfehlung seitens Peter S. Beagles für mich entdeckt hatte, schien mir wie ein Ritterschlag (ich habe auch die biographische Notiz zu ihm verfasst, die der Übersetzung voransteht). Fast alle an dem Projekt Beteiligten (nicht zuletzt Matthias Mösch, mit dem ich später den Kristallpalast ersann) waren enge Freunde aus dem Umfeld unserer Heidelberger Creative-Writing-Runde. Und auf das versprochene Geld für die Übersetzungen warten alle, die damals nicht schlau genug waren, einen Vorschuss zu fordern, noch heute.
Neil Gaiman bezeichnete "Concerning Corinna" einmal als eine seiner Lieblingsgeschichten, und ich habe mich über die gelegentlichen Anspielungen auf Cabells Werk in seinem Sandman immer sehr gefreut. Aktuell schreibe ich an einem wissenschaftlichen Artikel über Cabell für einen Tagungsband, der ebenfalls in absehbarer Zeit erscheinen wird. Ich hoffe, dass sein Werk immer wieder die Wertschätzung neuer Leser erfahren wird, und ich dazu meinen bescheidenen Beitrag leisten durfte. Dasselbe gilt natürlich für alle Autoren in dieser Sammlung, als da wären (von der Verlagsseite kopiert):
1877 Julian Osgood Field: Aut Diabolus Aut Nihil
1878 Emma Frances Dawson: An Itinerant House
1886 Anne Crawford, Baroness Rabe: A Mystery of the Campagna
1889 William C. Morrow: His Unconquerable Enemy
1890 Thomas Russell Sullivan: The Lost Rembrandt
1894 Albert Bigelow Paine: The Mystery of Evelin Delorme
1895 William Waldorf Astor: Monsieur de Néron
1895 Ralph Cram: The Dead Valley
1896 Vincent O‘Sullivan: The Bargain of Rupert Orange
1903 Mary Wilkins Freeman: The Hall-Bedroom
1904 Robert W. Chambers: The Case of Mr. Helmer
1904 Lafcadio Hearn: The Dream of Akinosuke
1905 James Huneker: Antichrist
1907 George Sylvester Viereck: The House of the Vampire
1907 F. Marion Crawford: The King’s Messenger
1908 Gouverneur Morris: The Crocodile
1909 Julian Hawthorne: The Delusion of Ralph Penwyn
1916 James Branch Cabell: Concerning Corinna
1916 Katharine F. Gerould: Louquier’s Third Act
(Von mir stammen die Übersetzungen von Dawson, Huneker und Cabell).
Dieses Buch heute in Händen zu halten ist für mich eine Reise in die Vergangenheit. Es war eines der letzten Projekte, die ich aus reiner Begeisterung und des sprichwörtlichen "Fußes in der Tür" zuliebe mitmachte; die drei Geschichten von Vernon Lee, die ich für den Vorgängerband übersetzte, waren meine ersten veröffentlichten Übersetzungen überhaupt gewesen. Mich nun James Branch Cabells annehmen zu dürfen, den ich erst wenige Jahre zuvor dank einer Empfehlung seitens Peter S. Beagles für mich entdeckt hatte, schien mir wie ein Ritterschlag (ich habe auch die biographische Notiz zu ihm verfasst, die der Übersetzung voransteht). Fast alle an dem Projekt Beteiligten (nicht zuletzt Matthias Mösch, mit dem ich später den Kristallpalast ersann) waren enge Freunde aus dem Umfeld unserer Heidelberger Creative-Writing-Runde. Und auf das versprochene Geld für die Übersetzungen warten alle, die damals nicht schlau genug waren, einen Vorschuss zu fordern, noch heute.
Neil Gaiman bezeichnete "Concerning Corinna" einmal als eine seiner Lieblingsgeschichten, und ich habe mich über die gelegentlichen Anspielungen auf Cabells Werk in seinem Sandman immer sehr gefreut. Aktuell schreibe ich an einem wissenschaftlichen Artikel über Cabell für einen Tagungsband, der ebenfalls in absehbarer Zeit erscheinen wird. Ich hoffe, dass sein Werk immer wieder die Wertschätzung neuer Leser erfahren wird, und ich dazu meinen bescheidenen Beitrag leisten durfte. Dasselbe gilt natürlich für alle Autoren in dieser Sammlung, als da wären (von der Verlagsseite kopiert):
1877 Julian Osgood Field: Aut Diabolus Aut Nihil
1878 Emma Frances Dawson: An Itinerant House
1886 Anne Crawford, Baroness Rabe: A Mystery of the Campagna
1889 William C. Morrow: His Unconquerable Enemy
1890 Thomas Russell Sullivan: The Lost Rembrandt
1894 Albert Bigelow Paine: The Mystery of Evelin Delorme
1895 William Waldorf Astor: Monsieur de Néron
1895 Ralph Cram: The Dead Valley
1896 Vincent O‘Sullivan: The Bargain of Rupert Orange
1903 Mary Wilkins Freeman: The Hall-Bedroom
1904 Robert W. Chambers: The Case of Mr. Helmer
1904 Lafcadio Hearn: The Dream of Akinosuke
1905 James Huneker: Antichrist
1907 George Sylvester Viereck: The House of the Vampire
1907 F. Marion Crawford: The King’s Messenger
1908 Gouverneur Morris: The Crocodile
1909 Julian Hawthorne: The Delusion of Ralph Penwyn
1916 James Branch Cabell: Concerning Corinna
1916 Katharine F. Gerould: Louquier’s Third Act
(Von mir stammen die Übersetzungen von Dawson, Huneker und Cabell).
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Sunday, May 5. 2013
Zum Tod von Frank Rainer Scheck
Letzten Monat verstarb überraschend Frank Rainer Scheck, einer der renommiertesten Kenner fantastischer Literatur im deutschsprachigen Raum. Unter anderem war er Herausgeber mehrerer Bände der Reihe Meisterwerke der dunklen Phantastik im Blitz-Verlag, für die ich und viele meiner Freunde zeitweilig als Übersetzer arbeiteten. Noch vor wenigen Wochen schickte er mir eine Geschichte für seine jüngste geplante Sammlung.
Ich habe Frank Rainer Scheck nie persönlich getroffen, aber seit einigen Jahren unregelmäßig mit ihm korrespondiert. Er entstammte, könnte man wohl sagen, noch der "alten Schule" (so war er einer der wenigen Menschen, die mich in Emails stets mit "Herr Dr." anredeten). Mein erster Kontakt mit ihm müsste etwa 2006 gewesen sein und kam über Erik Hauser zustande, der schon mehrfach mit ihm zusammengearbeitet hatte (u. a. als Übersetzer für Nick Rennisons "Sherlock Holmes: Die unautorisierte Biographie").
Damals forschte Erik im Umfeld unseres Creative-Writing-Kurses nach Übersetzern für eine Anthologie seltener und bislang nie auf Deutsch verlegter britischer Phantastik der Dekadenzzeit. Das Ergebnis war die zweibändige Sammlung Als ich tot war, für die ich drei Geschichten von Vernon Lee übernahm. Von einer dieser Geschichten existiert eine wunderbare Hörbuchversion, die unter anderem von meinem späteren Verleger Oliver Hoffmann gesprochen wurde.
Die zweite Anthologie, bei der ich mitwirkte, trägt den Titel Aut Diabolus aut Nihil und soll die gleiche Übersicht wenig bekannter Kleinodien für die amerikanische Phantastik bieten. Ich übersetzte dafür wieder drei Geschichten, darunter "Concerning Corinna" von James Branch Cabell; eine Geschichte, die schon Neil Gaiman als eine seiner Lieblingsgeschichten bezeichnete. Eine dritte Sammlung Schecks, "Priester des Todes", existiert auch für die deutsche Phantastik (s. hierzu auch den Eintrag "Kleinverlage und Klassiker" von 2010).
Das Besondere an Schecks Anthologien ist einerseits die unglaubliche Akribie der Übersetzungen (auf diese Weise kann man einer Kurzgeschichte schon mal mehrere Wochen widmen); andererseits der akademische Anspruch. In seinen umfangreichen Vorworten stellte er die in der Sammlung enthaltenen Geschichten stets in einen größeren kulturwissenschaftlichen Kontext.
Darüber hinaus sind auch jedem Autor detaillierte biographische und literaturwissenschaftliche Notizen vorangestellt. Im Falle von "Aut Diabolus" war es mir eine besondere Freude, die Einleitung zu Cabell schreiben zu dürfen. Scheck, selbst Cabellianer, verdanke ich auch die seltenen Ausgaben des "Kalki"-Fanzines (rechts im Bild), die er in den sechziger und siebziger Jahren gesammelt hatte.
Aut Diabolus aut Nihil wurde mehrmals verschoben und ist nun für September dieses Jahres angekündigt. Ich hoffe, dass es dabei bleibt, denn ich bin mir sicher, Scheck hätte es so gewollt. Es heißt, er sei an seinem Schreibtisch gestorben, inmitten seiner Bücher. Was aus seiner gerade geplanten Sammlung nun wird, muss sich noch zeigen. Es würde mich aber nicht wundern, wenn sein Vermächtnis noch lange nachwirkt.
Ich habe Frank Rainer Scheck nie persönlich getroffen, aber seit einigen Jahren unregelmäßig mit ihm korrespondiert. Er entstammte, könnte man wohl sagen, noch der "alten Schule" (so war er einer der wenigen Menschen, die mich in Emails stets mit "Herr Dr." anredeten). Mein erster Kontakt mit ihm müsste etwa 2006 gewesen sein und kam über Erik Hauser zustande, der schon mehrfach mit ihm zusammengearbeitet hatte (u. a. als Übersetzer für Nick Rennisons "Sherlock Holmes: Die unautorisierte Biographie").

Die zweite Anthologie, bei der ich mitwirkte, trägt den Titel Aut Diabolus aut Nihil und soll die gleiche Übersicht wenig bekannter Kleinodien für die amerikanische Phantastik bieten. Ich übersetzte dafür wieder drei Geschichten, darunter "Concerning Corinna" von James Branch Cabell; eine Geschichte, die schon Neil Gaiman als eine seiner Lieblingsgeschichten bezeichnete. Eine dritte Sammlung Schecks, "Priester des Todes", existiert auch für die deutsche Phantastik (s. hierzu auch den Eintrag "Kleinverlage und Klassiker" von 2010).
Das Besondere an Schecks Anthologien ist einerseits die unglaubliche Akribie der Übersetzungen (auf diese Weise kann man einer Kurzgeschichte schon mal mehrere Wochen widmen); andererseits der akademische Anspruch. In seinen umfangreichen Vorworten stellte er die in der Sammlung enthaltenen Geschichten stets in einen größeren kulturwissenschaftlichen Kontext.

Aut Diabolus aut Nihil wurde mehrmals verschoben und ist nun für September dieses Jahres angekündigt. Ich hoffe, dass es dabei bleibt, denn ich bin mir sicher, Scheck hätte es so gewollt. Es heißt, er sei an seinem Schreibtisch gestorben, inmitten seiner Bücher. Was aus seiner gerade geplanten Sammlung nun wird, muss sich noch zeigen. Es würde mich aber nicht wundern, wenn sein Vermächtnis noch lange nachwirkt.
Friday, January 11. 2013
Postweg für Fortgeschrittene
Was Menschen mit großem Mitteilungsbedürfnis und knapper Kasse vor 85 Jahren taten, als es noch kein Facebook dafür gab: H.P. Lovecraft und Arthur H. Goodenough machen es vor, auf einer einzigen Postkarte, die für 2 Cent gleich zweimal den Weg von Vermont nach Rhode Island fand.
Nick Mamatas hat dieses erstaunliche Dokument nun dechiffriert.
Weiter auf The Revelator (via Kotzendes Einhorn)
Lovecraft was acquainted with Goodenough, and Lovecraft’s visits to Goodenough in Vermont in 1927 and 1928 are the basis of his wonderful novelette “The Whisperer in Darkness.” After the story was published in Weird Tales, Goodenough sent Lovecraft a congratulatory card, and also asked the author a couple of questions. Rather than responding with a card or letter of his own, Lovecraft wrote the answers in a tiny hand and then apparently gave the card to Vrest Orton — a bookman and eventual founder of The Vermont County Store — who returned the card to Goodenough personally during a trip to the Green Mountain State. Then Goodenough sent the card back to Lovecraft again, with follow-up questions written in a nearly microscopic hand. I suppose he knew the local postmaster, and was able to get the card back into the mail system without a problem. Amazingly, Lovecraft managed to fit the answers to the questions on the postcard in an even smaller hand. Sherwood told me that he’d guessed that Lovecraft used a magnifying glass and a sewing needle dipped in ink.
Weiter auf The Revelator (via Kotzendes Einhorn)
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